Zu deinen Gleichungen möchte ich eine Anekdote voraus schicken. Unser Prof in der " D&I 2 " war " Norbert " , der es innerhalb von drei Tagen verstand, sich die Sympatie sämtlicher Studenten zu erwerben. Gibt es sowas wie " Minus c t ? "
Um 8 h c t begann seine Vorlesung; um 7h45 nahm er jeden Morgen auf der Marmorbank vor dem Hörsaal Platz und bat seine Hörer zu sich. Dann begann er Smalltalk mit Dreien von uns, wechselte den Personenkreis aber jeden Tag:
" Was ist Ihr Hobby? Was haben Sie gestern im Fernsehen gesehen? "
Du konntest ihm auch etwas Beliebiges berichten - er griff jedes Tema auf. Im Gegensatz zu seinen Kollegen war er sich auch nicht zu schade, Witze über Matematik zu reißen. Gleichwohl blieb immer klar, dass Mathe für ihn eine tot ernste Sache war. So sagte er mal in einer Vorlesung
" Ich nahm mal Teil an einem Seminar, wo das Innengebiet von Körpern im |R ^ n formal definiert wurde. Am Ende der Veranstaltung hatte ich völlig vergessen, dass ich mich
1) im Innengebiet des Hörsaals befinde
2) die Mensa im außengebiet
3) und um in jenes Außengebiet zu gelangen, ich die Türklinke betätigen muss - die ist nämlich topologisch nicht definiert ... "
fFr mich war ausgemacht, dass ich meine Vordiplomprüfung bei Norbert machen würde
( Gott sei Dank kannte Frankfurt keine Klausuren. )
" Herr T; bei dem schönen Wetter würden Sie doch jetzt was andres machen als Prüfung. Darf ich fragen was? "
" Schwimmen gehen. "
" Bier trinken. "
" Herr Professor; Ihr Kollege machte uns seiner Zeit das Angebot: Wer sich freiwillig für Funktionenteorie ( FT ) meldet statt D & I , kriegt eine Note besser, als er verdient. "
" Geht in Ordnung. Dann prüfe ich eben die Querverbindungen zwischen D&I und FT.
Aber fangen wir mit AGULA an. "
( Er wollte mir auf den Zahn fühlen; hielt mich für einen Drückeberger - wo doch grade AGULA für mich ein ausgesprochenes Heimspiel wurde. )
Was hat das Ganze überhaupt mit deiner Frage zu tun? Er begann gleich mit dem Wichtigsten, den Lösungssätzen für LGS . Gehrsam und brav rezitierte ich auch, n Gleichungen, k Unbekannte. Da unterbricht er mich
" Beschränkensich auf den quadratischen n X n Fall. Es könnte nämlich sein, dass ich DIE AUSSAGEN FÜR DEN ALLGEMEINEN FALL VERGESSEN HABE ... "
Genau so war er - Nonchalant; ein Original. Ein Prof von altem Schlage. Der wusste noch, was er wert war und brauchte darum nicht aller Welt zu beweisen, dass er alles besser wusste.
Die Grundgleichung zur Beantwortung deiner Fragen lautet
Rang ( A ) + dim Kern ( A ) = n ( 1 )
Ferner wäre da noch die äußerst wichtige
Zeilenrang = Spaltenrang ( 2 )
Mit A meine ich die Koeffizientenmatrix ( KM ) deines LGS . n ist die Anzahl der Unbeklannten; und Kern bezeichnet den Lösungsraum des homogenen LGS . Doch ich meine das wörtlich; wenn du eine lineare Abbildung f hast von Vektorraum V nach Vektorraum W
f : V ====> W ( 3 )
dann ist Kern ( f ) immer ein UNTERRAUM von V . Ich geb dir gleich mal die Hausaufgabe, das nachzuweisen. Und zwar musst du drei Dinge zeigen
1) Nullvektor : Jeder Vektorraum enthält den Nullvektor
0 € Kern ( f ) ( 4a )
2) Homogenität
x0 € Kern ( f ) ===> k x0 € Kern ( f ) ( 4b )
3) Additivität
x1 ; x2 € Kern ( f ) ===> x1 + x2 € Kern ( f ) ( 4c )
Möglich dass du später mal auf Verallgemeinerungen dieser Aussage geführt wirst. Auch der Kern eines linearen ===> differenzialgleichungssystems ist ein Lösungsraum, der von seinen Basisfunktionen aufgespannt wird. Und auch der Kern eines linearen ===> Diophantischen Systems ( siehe Arndt Brünner ) gehorcht immer noch den drei Gesetzen ( 4a-c )
Deine Aussage 1) ist wahr und folgt unmittelbar aus ( 1;2 ) Die Anzahl Zeilen deiner KM entspricht ja der Anzahl Gleichungen und die Anzahl Spalten der Zahl der Unbekannten. Da du weniger Gleichungen wie Unbekannte hast ===> weniger Zeilen als Spalten, kann der Rang der KM höchstens werden gleich der Zeilenzahl, also KLEINER ALS n . Dann folgt aber aus ( 1 ) für den Kern stets eine POSITIVE Dimension .
Aussage 2) ist falsch; ich präzisiere. Ich verstehe sie so: Hast du mehr Unbekannte als Gleichungen, dann FOLGT , dass das LGS unendlich viele Lösungen hat. Diese Aussage ist falsch.
Die schwächere Aussage; ES GIBT ein LGS ( mit mehr Gleichungen als Unbekannten ) das unendlich viele Lösungen hat, ist nämlich wahr.
Es hängt nämlich alles an dem Umstand, dass du, so bald du mehr wie eine Gleichung hast ( und egal wie viel Unbekannte ) nicht mehr sicher bist, ob es überhaupt eine Lösung gibt.
Da hier gefordert ist: Mehr Unbekannte als Gleichungen, entscheide ich mich für das einfachste gegenbeispiel. Zwei Gleichungen ( Eine reicht nicht, hatten wir gesagt ) und drei Unbekannte:
x + y + z = 4 711 ( 5a )
x + y + z = 1 147 ( 5b )
Das stink normale Subtraktionsverfahren führt hier auf ( 4 711 = 1 147 ) Was ist da los?
Wir waren offensichtlich gestartet mit der Annahme, ( 5ab ) moge eine Lösung besitzen in ( x | y | z ) und hatten diese Annahme zu einem Widerspruch geführt.
Aber auch hier gibt es ein Kriterium - übrigens wieder mit " Rang "
" Ein LGS ist lösbar genau dann, wenn seine KM den selben Rang besitzt wie die ===> erweiterte KM. "
Eigentlich logisch; denn Lösbarkeit heißt doch nichts anderes, als dass sich das Absolutglied bzw. der Spaltenvektor der rechten Seite darstellen lässt als Linearkombination ( LK ) der Koeffizienten-bzw. Spaltenvektoren der KM . Die Unbekannten entsprechen genau den Entwicklungskoeffizienten dieser LK .
Nimm doch nur mal als Beispiel ( 5ab ) Der Zeilenrang der KM ist 1 , sieht man sofort. Weil sich Gleichung ( 5a ) ein zweites Mal wiederholt in ( 5b ) Folglich kann der Spaltenrang auch nicht größer sein; der Spaltenvektor von x lautet ( 1 | 1 ) , und das wiederholt sich noch zwei Mal bei y und z . Aber der Vektor der rechten Seite lautet eben ( 4 711 | 1 147 ) ; das ist linear unabhängig von ( 1 | 1 ) Damit hat aber die erweiterte KM Rang 2 ===> nicht lösbar.
Angenommen du würdest den Vektor der rechten Seite auswürfeln mit einem Zufallsgenerator; na was meinst du? Was wäre wohl wahrscheinlicher? Lineare Unabhängigkeit oder Lösbarkeit?
Dieses LGS ( 5ab ) repräsentiert Insellösungen in einem Meer des Chaos; des Nichts - solche LGS heißen ====> schlecht konditioniert.
Etwas anders sehen die Dinge schon aus, wenn du die Matrix A in ( 5ab ) so abwandelst, dass sie Rang 2 hat. Jetzt greifen zwei alternative Argumente ( Viele Wege führen nach Rom. )
" Da der Rang nie größer werden kann als die Zeilenzahl 2 , hat auch die erweiterte KM Rang 2 - Lösbarkeit ist garantiert. "
" Alle drei Spaltenvektoren von A liegen doch im |R ² . Rang 2 heißt doch nichts anderes, als dass zwei der Spaltenvektoren - sagen wir die von x und y - eine Basis bilden in R ² . Da auch die rechte Seite einen Vektor darstellt in |R ² , muss es immer eine Lösung geben. Denn ich kann jeden Vektor ausdrücken durch die Basisvektoren. "
In so fällen gilt das Kriterium - das sich übrigens wieder überträgt auf Differenzial-so wie Diophantische Gleichungen
" allgemeine Lösung des inhomogenen LGS = Sonderlösung des inhomogenen LGS + Kern ( A ) " ( 6 )
Im Hinblick auf deine Frage; wir wollen im Auge behalten, dass unter den obwaltenden Umständen ( mehr Gleichungen wie Unbelannte ) der Kern positive Dimension hatte ===> Wenn überhaupt eine (Sonder)lösung existiert, gibt es automatisch unendlich viele Lösungen.
Zu Punkt 3) hast du dich übrigens richtig geäußert; ich hatte noch ergänzt: Der Kern ist immer ein Unterraum.